„Du kannst alles schaffen, wenn du es nur willst“

Navid Azizi ist 2015 aus Afghanistan geflüchtet. Ich habe Navid in meiner Tanzschule kennengelernt, wo er mittlerweile seit einigen Jahren tanzt.

Er ist mir immer als zurückhaltender, sehr positiver Mensch aufgefallen.

Navid’s Geschichte hat mich sehr berührt und stark beeindruckt. Ich habe ihn zu einem Interview eingeladen, um seine Geschichte mit dir zu teilen. Eine Geschichte aus der wir alle viel lernen können, die Mut macht, niemals aufzugeben und immer an sich zu glauben.

Interview mit Navid Azizi vom 06. Oktober 2021:

Claudia: „Ich freue mich total, dass Navid heute bei mir ist. Navid, am besten stellst du dich einmal selbst vor. Erzähl doch mal, wer bist du und was machst du? Erzähl einfach mal!“

Navid: „Hallo, ich bin Navid, ich bin Kellner, im Brauhaus Lüneburg und heute bin ich mit Claudia hier in einem Gespräch.“

Claudia: „Schön, dass du da bist, Navid. Ich erzähl mal kurz woher wir uns kennen. Du tanzt bei mir und ich erinnere mich noch, dass wir uns vor ein paar Monaten draußen vor dem Studio unterhalten haben und ich war so beeindruckt von deiner Geschichte, dass ich jetzt vor Kurzem die Idee hatte, ich muss Navid unbedingt mal einladen und mit ihm sprechen. Navid, erzähl doch mal. Du bist 2015 nach Deutschland gekommen, oder?“

Navid: „Genau, im Oktober 2015 war das, da bin ich nach Deutschland gekommen.“

Claudia: „Und wo bist du hergekommen?“

Navid: „Ich kam erstmal nach Hamburg und dann bin ich weiter nach Lüneburg.“

Claudia: „Aber du bist in Afghanistan großgeworden, richtig?“

Navid: „Genau.“

Claudia: „Das heißt, du bist von Afghanistan nach Deutschland geflüchtet.“

Navid: „Ja genau, ich bin von Afghanistan nach Deutschland geflüchtet.“

Claudia: „Wow. Du bist geflüchtet von Afghanistan und wie war das für dich, was hast du erlebt?“

Navid: „Viel habe ich erlebt, das war sehr schwierig natürlich. Das was wir erlebt haben, in der Kälte, in den Bergen, das war schon sehr schwierig. Es war nicht so einfach zu reisen. Von der Familie, von deinen Eltern und den Geschwistern sich zu trennen.“

Claudia: „Das heißt, du bist alleine gereist?“

Navid: „Ja.“

Claudia: „Wie alt warst du da?“

Navid: „Ich war 20, nein 19, jetzt bin ich 25. Es ist schon 6 Jahre her.“

Claudia: „Wie kam es damals zu dem Entschluss, dass du flüchten möchtest?“

Navid: „Das ist eine lange Geschichte. Ich hatte ein großes Problem dort und konnte nicht bleiben.“

Claudia: „Möchtest du davon erzählen?“

Navid: „Nicht so gerne. Wenn ich davon erzähle, dann sind wir noch heute Abend da. Es war aber eine ganz schwierige Situation dort und ich musste einfach weg. Meine Eltern wollten das auch. Ich wollte es erst nicht.“

Claudia: „Dass die Situation in Afghanistan schwierig ist, das wissen wir ja.“

Navid: „Ja genau. Ich wusste auch gar nicht, ob ich nach Deutschland gehe, das war auch gar nicht mein Ziel. Mein Ziel war, dass ich aus meinem Land rausgehe und bleibe wo ich mich wohlfühle und wo ich mich weiterentwickeln kann. Ich wusste, dass ich in meinem Land nicht weiterkomme. Man muss sich immer weiterentwickeln können.“

Claudia: „Welche Hindernisse gab es während der Flucht? Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?“

Navid: „Ja. Wir sind geflüchtet von Afghanistan in den Iran. Von dort kamen wir nicht weiter in die Türkei. Wir waren 2 – 3 Wochen in den Bergen. Es war kalt, ich hatte nur ein Hemd und eine Hose dabei und das war alles.“

Claudia: „Wo habt ihr dann geschlafen?“

Navid: „In den Bergen. Wir waren dort mit mehreren Leuten. Es war auch ziemlich kalt, dann haben wir gefroren und sind alle krank geworden, aber was sollte man machen.“

Claudia: „Hattet ihr was zu essen?“

Navid: „Nein.“

Claudia: „Wie habt ihr überlebt?“

Navid: „Die Führer haben uns manchmal ein trockenes Brot oder so gebracht, aber dafür haben sie auch Geld genommen. Wenn du Geld hattest, dann hattest du etwas, wenn nicht, dann nicht. Es gab Tage, an denen wir nicht mal etwas zu trinken hatten. Es gab nichts zu essen und nichts zu trinken, ich habe viel abgenommen damals.“

Claudia: „Wie war das denn für dich, dass du alleine – also ohne deine Familie – unterwegs warst und in ein fremdes Land flüchten wolltest?“

Navid: „Als ich mich auf den Weg gemacht habe, war das sehr schwierig. Du vermisst deine Familie, denn mit 19 bist du natürlich immer noch Kind und du hast dich sonst mit deinen Geschwistern oder mit Mama und Papa getroffen und wenn du dann feststellst, dass du niemanden mehr von ihnen sehen kannst, dann ist das sehr traurig. Ich hatte Tage, dass ich nur an sie gedacht habe, aber ich wollte auch nicht zurück.“

Claudia: „Diese Möglichkeit gab es also für dich gar nicht.“

Navid: „Nein! Natürlich konnte man zurück, aber wenn du zurückwolltest, musstest du auch bezahlen und du wusstest auch nicht, ob du ankommst. Der Weg war so schwierig gewesen, das wollte ich nicht nochmal durchmachen.“

Claudia: „Also für dich stand dann fest, es gibt keinen Weg zurück und du gehst irgendwie weiter.“

Navid: „Ja. Und ich hatte auch ein Ziel vor Augen. Wenn ich mich auf den Weg gemacht habe, dann muss ich auch weiter. Es bringt nichts zurückzugehen.“

Claudia: „Hast du dich einsam gefühlt unterwegs?“

Navid: „Ja! Ich habe mich einsam gefühlt. Ich bin mit 2 Freunden von meinem Bruder unterwegs gewesen, dadurch war ich nicht ganz allein, auch wenn ich sie nicht richtig kannte. Als ich in der Türkei war, waren wir in einem Raum mit 40 – 50 Leuten und man kam erst raus, wenn du dafür bezahlen konntest.“

Claudia: „Hattest du Geld?“

Navid: „Nein, ich hatte schon etwas, aber es war noch nicht da. Ich musste eine Woche warten und ich wurde krank, weil es kalt war und meine Kleidung nass war. Ich konnte mich nicht bewegen und lag zwischen den anderen Menschen.“

Claudia: „Hat sich jemand um euch gekümmert?“

Navid: „Nein! Es hat sich niemand gekümmert und wir haben dort auch nichts zu essen bekommen. Man musste erst das Geld bezahlen, dann konnte man dort raus.“

Claudia: „Das heißt du hast dich dann von alleine erholt, hast das Geld bezahlt, um dann weiter zu gehen.“

Navid: „Genau, bis das Geld ankam hat es eine Woche gedauert. Ich hatte die 2 Freunde, mit denen ich gekommen bin. Wir hatten abgesprochen, dass wir aufeinander warten und zusammen weitergehen. Sie hatten schon bezahlt und waren ohne mich weitergegangen, so dass ich dann alleine weitergehen musste. Aber das hat mich nicht weiter interessiert.“

Claudia: „Du wusstest einfach was du willst.“

Navid: „Ich wusste was ich will. Alles andere war für mich egal. Ich wollte, dass ich weiterkomme. Egal was passiert, ich wusste, ich gehe weiter bis ich dann in Deutschland war.“

Claudia: „Welche Ängste hattest du, als du unterwegs warst?“

Navid: „Dunkelheit! Ich hatte damals große Angst vor Dunkelheit, auch wenn ich alleine war in den Bergen.“

Claudia: „Hattest du auch Angst, dass du es nicht schaffst?“

Navid: „Hatte ich nicht. Ich hatte mir ein Ziel gesetzt. Egal was passiert, ich geh einfach weiter.“

Claudia: „Was hat dir zwischendurch immer wieder Kraft gegeben?“

Navid: „Meine Mutter.“

Claudia: „Deine Mutter? Aber sie war ja gar nicht bei dir.“

Navid: „Wir haben telefoniert. Ich bin weggegangen, damit es ihr gutgeht.“

Claudia: „Also, du bist weggegangen, damit es ihr gutgeht.“

Navid: „Genau, auch meiner Familie. Ich habe mir große Sorgen um meine Familie gemacht.“

Claudia: „Wie konntest du sie denn unterstützen, indem du weggehst?“

Navid: „Das Ziel war, dass ich mich erstmal selbst weiterentwickle und ich für mich weiterkomme.“

Claudia: „Also du bist weggegangen, damit du von dort aus, wo auch immer du bist, deine Familie unterstützt.“

Navid: „Genau. Ich konnte ihnen zu Hause nicht mehr helfen. Es war auch viel zu gefährlich mit den Taliban und ich kam dort nicht weiter. Dann wurde mir klar, dass ich ihnen nur helfen kann, wenn ich weggehe und ihnen von dort helfe.“

Claudia: „Gab es während der Zeit Momente, wo du aufgeben wolltest?“

Navid: „Nein!“

Claudia: „Ich habe gewusst, dass diese Antwort kommen würde. Ich finde das so bewundernswert. Wahrscheinlich, weil du so stark deiner Familie helfen wolltest.“

Navid: „Für mich war der erste Schritt der Familie zu helfen. Sie haben so viel für mich getan. Ich wollte ihnen helfen, damit sie stolz auf mich sind. Sie haben mir immer im Leben geholfen. Das erste woran ich mich erinnere, dass ich ganz klein war. Ich habe damals etwas geklaut. Ich wusste aber gar nicht, dass ich etwas weggenommen habe. Ich war noch viel zu klein.

Ich habe zu meinem Papa gesagt: „Guck mal, Papa, ich habe was gefunden.“ Er hat mich gefragt, wo ich das gefunden habe. „Na da, im Laden. Das lag da.“ Er hat mir dann alles erklärt, dass es nicht gut ist. Ich kann nicht aus einem Laden etwas wegnehmen, das würde sich „klauen“ nennen. Er hat es mir richtig in meiner Sprache erklärt und ich habe das nie wieder gemacht.“

Claudia: „Sie haben dich also gut erzogen.“

Navid: „Ja, so ist es. Das hat mir immer geholfen.“

Claudia: „Dann bist du ja irgendwann nach Deutschland gekommen. Wie war das dann? Was ist passiert und woher wusstest du, wo du bleiben möchtest?“

Navid: „Ich war zunächst in einem großen Flüchtlingscamp in Hamburg. Von dort aus wurden wir nach Vögelsen/bei Lüneburg geschickt. Wir waren 27 Leute. Es gab dort mehrere Wohnräume. Ich habe mit 2 Mitbewohnern in einem 20 m² Zimmer gewohnt. Meine Mitbewohner waren toll. Ich wollte mich aber wieder weiterentwickeln und ich wollte nicht so weiterleben.“

Claudia: „Wie ging es dann weiter?“

Navid: „Ich war ungefähr 6 Monate lang in Vögelsen. Ich habe die Sprache gelernt.“

Claudia: „Wie hast du das gemacht?“

Navid: „Ich habe viel von zu Hause gelernt. Meine Nachbarn haben mir viel geholfen. Ich wollte unbedingt irgendetwas machen. Ich war nie der Typ der zu Hause sitzt und Geld vom Staat bekommt. Das wollte ich nicht. Ich wollte kein Geld vom Staat haben. Ich wollte meine Sprache verbessern, arbeiten, damit ich meine Familie unterstützen kann.“

Claudia: „Du hattest also wieder dein ganz klares Ziel vor Augen.“

Navid: „Genau.“

Claudia: „Du hast ja dann die Ausbildung im Restaurant, im Brauhaus, angefangen. Wie kam es dazu?“

Navid: „Ich war nach 6 Monaten bei meiner Betreuerin. Ich hatte ihr gesagt, dass ich arbeiten möchte. Sie sagte mir, beim Bäcker findest du immer etwas. Ich versuche Arbeit für dich zu finden. Meine Sprache war da noch ganz schlecht. Ich durfte noch keinen Deutschkurs machen.“

Claudia: „Wieso durftest du das nicht?“

Navid: „2015 durften nur die Flüchtlinge aus Syrien einen Deutschkurs machen. Ich durfte noch gar nicht in Deutschland bleiben. Ich durfte keine Ausbildung und keinen Deutschkurs machen. Aber ich habe es trotzdem versucht. Ich habe ein Praktikum beim Bäcker in Lüneburg gemacht. Das war nichts für mich. Ich musste nachts um 03 Uhr aufstehen und mit dem Fahrrad nach Lüneburg fahren. Es war im Winter. Das war nichts für mich. Dann hat meine Betreuerin Marion mir gesagt, dass sie im Brauhaus in Lüneburg einen Azubi suchen. Ich habe mir von Marion das Fahrrad geliehen, bin hingefahren und hab gefragt, ob sie Mitarbeiter oder einen Azubi suchen. Sie haben gesagt, mach doch erstmal ein Praktikum, dann schauen wir wie du arbeitest. Am Anfang habe ich zu Hause geübt, damit ich nicht hängen bleibe mit der Sprache. Zum Glück haben sie gesagt, dass ich kommen kann.“

Claudia: „Also, hast du dann erst ein Praktikum dort gemacht. Über was für einen Zeitraum?“

Navid: „Das Praktikum war einen Monat lang.“

Claudia: „Und danach haben sie dir die Ausbildung angeboten?“

Navid: „Nach dem Monat Praktikum haben sie mir gesagt, dass ich die Ausbildung machen kann. Aber es war sehr schwierig, da ich das nicht durfte. Wir haben es mit verschiedenen Anträgen versucht, damit ich die Ausbildung machen kann, bis es dann geklappt hat.“

Claudia: „Sie haben dir also dabei geholfen.“

Navid: „Ja, sie haben mir geholfen und mich unterstützt. Sie haben gesehen, dass es für mich sehr schwer ist mit der Sprache. In meinem 1. Lehrjahr in der Ausbildung habe ich nichts verstanden.“

Claudia: „Aber du hast es geschafft.“

Navid: „Ja, ich habe es geschafft.“

Claudia: „Und du hast die Ausbildung abgeschlossen.“

Navid: „Genau. Es hat alles mit wollen zu tun. Ob du es willst oder nicht willst.“

Claudia: „Super, und du arbeitest dort jetzt seitdem.“

Navid: „Ja, es ist mein erster Arbeitsplatz.“

Claudia: „Toll, richtig toll! Wie fühlst du dich hier jetzt in Deutschland? Fühlst du dich angekommen?“

Navid: „Ich fühle mich wohl hier. Ich habe viele Hobbys, zum Beispiel das Tanzen. Ich habe auch tolle Menschen kennengelernt. Mein Chef im Restaurant und andere tolle Mitarbeiter. Es macht mir viel Spaß und ich fühle mich sehr wohl.“

Claudia: „Gibt es noch Momente, wo du zurück möchtest?“

Navid: „Nein, diese Momente gibt es nicht.“

Claudia: „Ich finde es so bewundernswert. Du weißt so genau was du willst, das ist beeindruckend. Wie ist es jetzt mit deiner Familie? Ich denke mal ihr habt noch Kontakt? Wie stark vermisst du sie?“

Navid: „Sehr!“

Claudia: „Wie oft habt ihr noch Kontakt?“

Navid: „Meine kleine Schwester weckt mich jeden Morgen. Sie ist 12. Sie weckt mich jeden Morgen. Und auch sonst mit meinen Eltern habe ich ganz viel Kontakt. 3 – 4mal in der Woche sehen wir uns über Videochat.“

Claudia: „Und du sagtest ja vorhin, dass du weggehen wolltest, weil du deine Familie unterstützen wolltest. Hat der Plan funktioniert?

Navid: „Ja, der Plan hat funktioniert.“

Claudia: „Das heißt, was hast du gemacht?“

Navid: „Meine Eltern waren in Afghanistan. Ich habe sie von dort weggeschickt in den Iran, weil ich wollte, dass sie in Sicherheit sind.“

Claudia: „Wie hast du das gemacht?“

Navid: „Ich habe alles versucht sie von hier zu unterstützen.“

Claudia: „Das heißt du hast Geld gespart und ihnen das geschickt?“

Navid: „Ich habe Geld gespart und ihnen das geschickt. Sie hatten natürlich auch etwas gespart und sie hatten Tiere, die sie verkaufen konnten. So konnten sie dann weggehen.“

Claudia: „Super, du hast genau das erreicht was du wolltest.“

Navid: „Das habe ich erreicht. Seit 5 Monaten habe ich ihnen auch ein Haus dort gekauft.“

Claudia: „Du hast ihnen ein Haus gekauft. Das ist unfassbar. Wie hast du das gemacht?“

Navid: „Ich habe gearbeitet, gespart. Für mich konnte ich natürlich nicht viel machen, aber ich konnte für sie etwas tun. Natürlich habe ich auch einen Kredit aufgenommen. Das Haus habe ich für sie gekauft, damit sie dort glücklich werden.“

Claudia: „Du hast so viel durchgemacht und der ganze Weg ist so bewundernswert, dass mir immer wieder die Worte fehlen. Wie schaffst du es in dem ganzen immer so positiv zu bleiben?“

Navid: „Weil ich immer noch Ziele habe.“

Claudia: „Was ist dein nächstes Ziel?“

Navid: „Bisher war mein Ziel meine Eltern und meine Familie zu unterstützen, damit sie sicher sind. Das habe ich geschafft. Jetzt ist mein Ziel mich selbst weiterzubringen, mich weiterzuentwickeln.“

Claudia: „Du hast dich ja schon die ganze Zeit weiterentwickelt. Wie willst du dich noch weiterentwickeln?“

Navid: „Noch mehr.“

Claudia: „Was hast du vor?“

Navid: „Ich möchte ein Buch schreiben bzw. ich bin dabei ein Buch zu schreiben über meine Geschichte. Ich möchte mich in meinen Hobbys und bei meiner Arbeit weiterentwickeln. Ich möchte noch mehr erreichen.“

Claudia: „Wie wichtig sind da die Hobbys für dich?“

Navid: „Sehr.“

Claudia: „Ist das so, dass was dir Kraft gibt und was dir hilft positiv zu bleiben und glücklich zu sein?“

Navid: „Eines der Hobbys ist das Tanzen. Ob ich im Studio tanze oder zu Hause, es macht mich frei.“

Claudia: „Also machst du zu Hause die Musik an….“

Navid: „Ich mach einfach die Musik an und fang an zu tanzen. Auch wenn ich Gedanken über meine Familie habe oder über die Vergangenheit, dann mach ich die Musik an und bewege mich. Das macht mich frei. Oder manchmal gehe ich ins Fitnessstudio.“

Claudia: „Also bist du auch der Meinung, dass du deine Gefühle durch Musik, durch Bewegung, durchs Tanzen verändern kannst. Das mache ich ja auch so und das funktioniert immer.“

Navid: „Ja, das funktioniert immer. Und deshalb ist es auch so wichtig, dass du immer lachst, auch wenn du traurig bist, egal was passiert. Wenn du die Musik anmachst, dann bist du in einer anderen Welt. Dann willst du dich bewegen oder etwas machen. Und dadurch verändert sich alles.“

Claudia: „Man holt sich selbst aus dem Tief heraus.“

Navid: „Genau, das tut echt gut. Das habe ich immer gemacht und mache ich immer noch.“

Claudia: „Sehr gut. Jetzt war ja auch der Lockdown. Für dich ja auch und ihr konntet im Restaurant nicht arbeiten. Warst du in Kurzarbeit?“

Navid: „Ja, ich war in Kurzarbeit.“

Claudia: „Was hast du in der Zeit gemacht?“

Navid: „Ich habe im Pferdestall gearbeitet.“

Claudia: „Also hast du dir sofort neue Arbeit gesucht.“

Navid: „Nach einer Woche. Eine Woche nach dem Lockdown.“

Claudia: „Also wo andere noch in der Schockstarre gefangen waren, hat Navid schon wieder gearbeitet. Was hast du im Stall gemacht?“

Navid: „Ich habe den Stall sauber gemacht, die Pferde herausgebracht und wieder reingeholt.“

Claudia: „Das ist so bewundernswert.“

Navid: „Dann ging es los, dass wir auch geliefert haben.“

Claudia: „Du meinst, dass ihr im Restaurant auch „Außer Haus“ geliefert habt.“

Navid: „Ja genau.“

Claudia: „Und dann hast du beides gemacht. Wie viel hast du dann gearbeitet?“

Navid: „Ich war morgens um 05 Uhr bei den Pferden. Am Wochenende haben wir geliefert. Davor haben wir die Küche vorbereitet. Dann habe ich mir auch Zeit für meine Hobbys genommen. Das Studio war leider auch zu, aber dann habe ich viel zu Hause gemacht.“

Claudia: „Also auch da gab es für dich gar keine Frage, dass man jetzt den Kopf in den Sand steckt. Du kennst es wahrscheinlich schon aus deiner Kindheit, dass es immer irgendwie weiter geht und wenn das eine nicht geht, dann macht man eben das andere.“

Navid: „Genau!“

Claudia: „Was ich mich immer frage, wenn wir uns unterhalten: woher kommt die ganze Energie? Wie machst du das?“

Navid: „Das ist eine gute Frage. Es gibt 2 verschiedene Menschen in deinem Leben. Es gibt Menschen, die dir Kraft geben und Menschen, die Kraft ziehen. Das ist der Grund, wie ich mich weiterentwickeln kann.“

Claudia: „Das heißt, was machst du?“

Navid: „Die Leute, die mir Kraft geben, die möchte ich nicht enttäuschen. Und die Leute, die versuchen meine Kraft zu ziehen, da versuche ich das Gegenteil zu machen.“

Claudia: „Wie machst du das?“

Navid: „Ich versuche mich weiterzuentwickeln und ihnen zu zeigen, dass ich das kann.“

Claudia: „Ok also du nutzt das wieder positiv für dich.“

Navid: „Ich nutze das für mich. Wenn jemand sagt zu mir, das bringt nichts was du machst, dann raubt mir das erstmal Energie. Aber dann sag ich mir: nein, das bringt was.“

Claudia: „Das heißt, du nutzt das für dich um zu sagen jetzt erst recht. Du versuchst dann auch nicht die Menschen zu meiden, sondern du nimmst das an und verwandelst es in etwas Positives. Das finde ich super kraftvoll.“

Navid: „So kann ich mich weiterentwickeln.“

Claudia: „Total interessant!“

Navid: „Wenn du etwas willst, dann kannst du es schaffen.“

Claudia: „Das sehe ich auch so: wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“

Navid: „Genau!“

Claudia: „Schön. Du bist so ein tolles Beispiel für jemanden, der geflüchtet ist und sich ein komplett neues Leben aufgebaut hat und es läuft ja nicht bei allen so wie bei dir. Was würdest du dir wünschen oder was kannst du anderen Menschen, die in ähnlichen Situationen sind, raten oder was kannst du ihnen mit auf den Weg geben?“

Navid: „Ja, ich würde sagen: Geh weiter! Schau nicht zurück! Schau nach vorne! Vergangenheit ist Vergangenheit und ist vorbei! Versuche einfach dich weiterzuentwickeln und überlege, wie du dich weiterentwickeln kannst. Höre nicht auf alle, du kannst zuhören, aber nimm nicht alles ernst. Auch wenn jemand sagt, du kannst das nicht. Das ist eine Chance. Du musst nicht sagen, nein, du hast nicht Recht, ich kann es. Du musst es nur machen. Zeig ihm, dass du es kannst.“

Claudia: „Toll. Was hast du für dich aus deiner Erfahrung gelernt?“

Navid: „Ich habe viel gelernt. Einfach machen, weitermachen. Es gibt keinen Weg zurück. Nicht zweifeln. Man kann einmal verlieren, zweimal verlieren, aber irgendwann gewinnt man.“

Claudia: „Also sind auch Rückschläge für dich oder wenn es mal nicht vorangeht, ist es für dich nicht ein Rückschlag, sondern es war ein Schritt, der da war und der vielleicht in dem Moment nicht weitergegangen ist, aber…“

Navid: „Jedes Mal, wenn du herunterfällst und auf dem Boden liegst, dann gibt es eine andere Tür. Du kannst einmal verlieren und du hast nichts mehr, aber es gibt wahrscheinlich etwas viel Besseres. Es liegt auch daran, ob du ehrlich bist und gute Gedanken hast und ob du jemanden schadest oder nicht.“

Claudia: „Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn man nur das Beste will und niemandem schadet, …“

Navid: „Dann kommt man immer weiter. Dann schließt sich eine Tür, aber eine bessere öffnet sich.“

Claudia: „Navid, ich bin mit Sicherheit die erste Person, die dein Buch kaufen wird. Ich bin mir sicher, dass du das schaffen wirst, darüber habe ich keinen Zweifel. Ich bin sehr froh, dass wir uns kennengelernt haben, ich finde es toll, dass du bei uns tanzt und ich wünsche dir einfach nur das Beste. Du bist so ein tolles Beispiel. Das was du erlebt hast und wie du damit umgehst, das muss einfach in die Welt, deshalb habe ich dich auch eingeladen. Von meiner Seite aus habe ich keine Fragen mehr, aber du hast das letzte Wort und du darfst sagen, was du noch sagen möchtest.“

Navid: „An die Menschen und alle die das hören, schaut dass ihr das tut, was euch weiterbringt. Wenn du dich freimachen möchtest, dann tanze oder mache anderen Sport. Sport ist ein wichtiger Punkt, damit man sich fit fühlt und es macht deinen Kopf frei. Es motiviert und ist super für die Gesundheit.“

Claudia: „Super, Navid. Ich sage ganz vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und dass du bei mir warst. Ich wünsche dir alles Gute und wir sehen uns beim Tanzen.“

Navid: „Danke. Tschüss!“